zentrale Aussage zur Neurophilosophie

Helmut Hille

Was ist und wie entsteht Information?
oder
Die Rolle des Beobachters


     
D i e  T h e m e n

>>  Was ist Information?  -  Wie entsteht Information?  -  Information, Bedeutung, Intuition  -  Verstehen u. Sinnerfassung  -  Resümee  <<


Was ist Information?

Wissen ist ein Mittleres. Nur dadurch ist es in der Lage, Mittler zwischen Objekt und Subjekt zu sein. So gesehen ist ein "objektives Wissen" ein Widerspruch in sich.

Parmenides: "Denn so wie zu jeder Zeit (einer) hat die Mischung der vielirrenden Körperglieder, so auch wird das Erkennen dem Menschen zuteil", d. h. wie jeder eine unabgeklärte Mischung seiner elterlichen Gene ist, so ist die Erkenntnis eine unabgeklärte Mischung aus objektiven und subjektiven Elementen, d.h. "vielirrend", die es zu klären gilt.

 objektive* + subjektive Elemente   = Ergebnis der Mischung 
 einwirkende Kräfte + Sinne  = Sinnesreize (Daten)
 Daten + Subjekt (Gehirn)  = Bedeutung (Information)
*bzw. das Ergebnis der vorangegangenen Mischung

Die Definition von "Information" müsste daher m.E. lauten:
Information ist dem Ich jene plausibelste Deutung, die das Gehirn aufgrund seines gesammelten Wissens Daten gibt.
Oder verkürzt:
Information ist die plausibelste Deutung von Daten.

Durch Projektion subjektiver Elemente wird aus dem unbekannten Objekt der Beobachtung etwas mehr oder weniger Vertrautes. Überschießende Projektion (zu hoher Subjektanteil): beseelte Welt (Animismus), Dämonen, Geister, Götter, Hexen, Engel, Feen usw. = eine Form der "Information", die sich mehr mit den projizierten eigenen kon- und destruktiven = "guten" und "bösen" Kräften auseinandersetzt, als mit der Welt selbst. Ohne Projektion subjektiver Elemente gäbe es jedoch nichts, was man eine "Beobachtung" nennen könnte. Ohne Geist glotzt man nur auf die Phänomene, ohne sie zu verstehen. Wahrnehmung ist ein aktiver Vorgang im Gehirn und sie kann letztlich nicht ohne den Wahrnehmenden wirklich verstanden werden.

Wäre unser Wissen nur das Abbild einer fremden Welt, wäre uns das Gewusste so fremd wie diese Welt selbst und damit als Wissen nicht hilfreich. Deshalb müssen den durch die Sinne hereinströmenden Daten möglichst augenblicklich relevante Bedeutungen verliehen werden.* Dies ist die eigentliche schöpferische Aufgabe des Gehirns. Erst die Bedeutung von Daten ist das Wissen, auf das wir uns denkend und handelnd beziehen, wie Feind, Beute oder Sexualpartner. Sie trägt das lebendige System an die Phänomene heran und probiert, inwieweit sie für sein Überleben hilfreich sind. Goethe: "Allein hätte ich nicht Welt durch Antizipation (Vorwegnahme) bereits in mir getragen, ich wäre mit sehenden Augen blind geblieben." Meister Eckhart: "Die Meister lehren, eine andere sei die Kraft, vermöge deren das Auge sieht, eine andere die Kraft, vermöge deren es erkennt, was es sieht."
*"Die einzelnen Neuronen und ihre Verbindungen, die Synapsen, können Informationen sowohl speichern als auch verarbeiten," (was Computder bisher nicht können), wodurch sie so schnell sind.


Wie entsteht Information?
nach SPIEGEL SPEZIAL 4/2003 auf Datei (III/4) - Pkt. 2 von mir mit einer Fußnote versehen, Anmerkungen in ( ) und Kursivsetzungen durch mich

  1. Wahrnehmung über Sinnesorgane. Über Auge, Ohr, Nase, Tast- und Geschmacksorgane dringen Sinnesreize ins Gehirn. (Daten)
  2. Verarbeitung in den sensorischen Sinnesarealen. Viele Areale des Großhirns sind damit befasst, diese Sinnesreize auf Merkmale* hin zu analysieren. Visuelle Reize beispielsweise werden in der Sehrinde im Hinterkopf verarbeitet.
    *Das Gehirn arbeitet vorzugsweise mit Merkmalen. Darum sind auch unsere Messgrößen auf Merkmale abgestellt, die wir als Aspekte an die Dinge herantragen, um sie uns verfügbar zu machen. Geistig können wir nur mit Geistigem umgehen, hier mit Aspekten als Merkmale. Was die Dinge außerhalb unserer Aspekte sind, können wir nicht wissen!
  3. Deutung im Schläfenlappen. Die aufbereiteten Daten werden dann an den Schläfenlappen weitergeleitet, wo ihnen (aufgrund des gespeicherten Wissens) Bedeutungen verliehen werden. Meist gibt es jedoch mehrere Interpretationen.
  4. Filter im Hippocampus. Der Hippocampus wählt eine dieser Deutungen aus; nur sie dringt ins Bewusstsein vor. (Erst jetzt gibt es das, was wir "Wahrnehmung" nennen, die wir in Form von Urteilen erfahren(!), z.B. "das ist Herr Meier", d.h man muss schon gewusst haben, welche Merkmale einen Menschen generell als Menschen, sodann als "Mann" und dann noch als "Herr Meier" ausmachen, um ihn als "Herrn Meier" bemerken zu können.) Meist entscheidet sich der Hippocampus für die Interpretation, die den Erwartungen des Gehirns am nächsten kommt.
  5. Illusionen durch Abschwächung der Filterfunktionen. Wird der Zensor im Hippocampus, etwas durch Drogen, Trance oder Schlafentzug (oder viel öfters durch überspannte Erwartungen oder einfach durch Unaufmerksamkeit) geschwächt, so lässt er auch weniger wahrscheinliche Deutungen passieren, die dann ins Bewusstsein gelangen.


Information, Bedeutung, Intuition

Information ist nicht das, was gesagt und geschrieben wird
- das sind nur materielle Laute und Zeichen, die etwas transportieren sollen -
sondern was davon auf Grund geistiger Voraussetzungen verstanden wird.
Erst was verstanden wird ist Information!
Information ist also etwas Geistiges, darum können wir geistig mit ihr umgehen.
Information ist immer Information über etwas - sonst ist sie keine.
Die auf Grund von Merkmalen gesehenen Bedeutungen von Bildern, Lauten und Wörtern sind die Bausteine der Information.
Bedeutungen sind das Blut der Sprache. Ohne sie bleibt Sprache leer.

Gedanken entstehen durch Verknüpfung von Bedeutungen.
Die Verknüpfung kann bewusst oder auch unbewusst erfolgen.
Unbewusst erzeugte Ergebnisse treten als Intuition in das Bewusstsein,
ist doch das Gehirn ein generell um Verständnis ringendes Organ
- das Bewusstsein sein Kontrollorgan.
So sind auch Intuitionen stets zu prüfen, kennen wir doch ihre Prämissen nicht.
Immer geht es um die Stimmigkeit des Gedachten auf Grund des Wissens und ggf. logischer Folgerungen aus ihm.

Verstehen und Sinnerfassung

Doch über das Verstehen einer Information anhand der Bedeutungen des Gesagten hinaus,
gilt es - trotz vielleicht unzulänglicher Information - den Sinn des Gesagten zu erfassen.
Besser noch: ebenfalls einen in ihm eventuell verborgenen Hintersinn, also was zwischen den Zeilen steht.
noch besser: auch zu verstehen, warum der Sprechende gerade diese Meinung vertritt - erst jetzt versteht man ihn ganz.
Man befindet sich dann mit ihm geistig in unmittelbaren Kontakt.
"Der Buchstabe tötet, der Geist macht lebendig" - nämlich was ursprünglich/eigentlich gemeint ist. (Meister Eckhart)


Resümee

Ohne geistige Fähigkeiten glotzt man nur verständnislos auf die Phänomene.
Und da soll es keine Rolle des Beobachters geben? Lächerlich! Einfach lächerlich!
Und wie entsetzlich dumm!
Wer zwischen sich und der materiellen Außenwelt keine Differenz bemerken kann, ist für deren Andersartigkeit blind,
sind doch bereits alle Wahrnehmungen von Farben, Geräuschen, Düften usw. sekundäre Qualitäten, vom Gehirn erzeugt.
Und überhaupt:
Erst die fortlaufende Verbindung der Momentaneindrücke durch das Gedächtnis ermöglicht das Erleben von Zeit und Bewegung, von Sprache und Melodien, also all das, was unser Menschsein mental ausmacht.
Ein Mensch ohne Erinnerungen ist nur die leere Hülle eines Menschen, unfähig am geistigen und gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.
Die Verbindung aller Sinneseindrücke untereinander schafft durch ihr paralleles Auftreten das, was von uns als Realiät erlebt wird,
gesteuert vom selektiven Wahrnehmen, bereichert durch Farbensehen, wo keine Farben sind, durch Stereosehen und Stereohören, obwohl nur zweidimensional empfangen werden kann.

Nicht zufällig ist das menschliche Gehirn das komplexeste Organ, das die Natur hervorgebracht hat.
Und das hat Folgen, die nicht zu leugnen sind.
Um jedoch ungestört arbeiten zu können, hält sich das Hirn bedeckt und lässt selbst Philosophen an "objektive Erkenntnis" glauben. Hereingefallen!

Die Rolle des Beobachters ist unendlich, nämlich nicht hintergehbar

© Hille 2013-2021
Jan. 14 2 neue Schlusszeilen; März 14 desgl.; Dez. 14 Def. Information ergänzt; Jan./Febr. 15 neu: Information und Bedeutung, Zitat Ockham; März 15 Sinn des Gesagten; Juli 2016 1. Meister-Eckhart-Zitat; Sept. 2016 "Sinnerfassung" im Zwischentitel u.a.; 30.09.2016 oben Aufreihung der Zwischentitel; 05.02.2019 2 Ergänzungen; 16./17.02.2021 neuer Satz zum wirklichen Verstehen sowie Sätze zum Erleben von Realität und den Wert von Erinnerungeen; 24.02.2021 neu: Intuition, kleine Titel neu geordne; 10.03.2023 Zitat ztu Meuronen und Synapsen

Siehe auch (II/1a) Gadamer und das hermeneutische Problem

zurück weiter zu "Ursprung und Inhalt der Grammatik" zurück zum Seitenanfang