Der Weg zum Humanum

durch die Liebe zur Weisheit


aus "Was uns hindert, die Einheit des Daseins zu sehen" - Datei (II/5)
veröffentlicht in der philosophischen Zeitschrift "Aufklärung und Kritik" 2/1995


Es ist richtig, daß die Wahrheit weder tröstlich noch bequem sondern nur wahr ist. Doch die ungeschminkte und für jede neue Erkenntnis offene Aufklärung des wahren Verhältnisses von Denken und Sein, die den Wahrheitswert wissenschaftlicher Aussagen überhaupt erst bestimmen kann, bietet uns die Chance, unseren mesokosmisch geprägten geistigen Horizont zu erweitern und zu erkennen, daß die Welt, über diesen weit erhaben, eigentlich viel wunderbarer ist, als wir sie mit unserem biederen, aufs Beutemachen ausgerichteten Hausverstand bisher gesehen haben. Daher müssen wir uns entscheiden, was wir wollen. Ich bin überzeugt, daß wir auf Dauer unser Menschsein und unsere Zukunft nur meistern können, wenn wir erwachsen werden und die Welt so annehmen, wie sie sich uns erweist, und daß alle die benebelnden Schönredereien und die wohlfeilen Tröstungen weder des Menschen würdig, noch für das Überleben der Menschheit hilfreich sind. Wer "die Meinungen der Sterblichen" hinter sich läßt wie Parmenides, wird dadurch zwar nicht in einem wörtlichen Sinne gleich selbst unsterblich, wie ratlose Deuter des Parmenideischen Textes auch schon gemeint haben, auch wenn er sich als in die Einheit und Ganzheit eines zeitlosen Seins eingebunden begreift, aber er befreit sich vom Zwang uralter, seinen Problemen nicht mehr angemessener Erkenntnismuster und gibt dem Humanum in sich Gelegenheit, wachsen zu können und wird darin selbst zum Baustein einer humanen Gesellschaft. Philosophischer Humanismus heißt für mich, die geistigen und sittlichen Kräfte des Menschen durch Aufklärung des unzeitgemäßen tierischen und steinzeitlichen Erbes zu befördern.

Dem Humanum durch ungeschönte Wahrheiten Platz zu schaffen, sollte das erste Anliegen der Philosophen sein.

Hierzu möchte ich in Erinnerung rufen, was ich auf der Autorenseite, unter So vor mich hin gesprochen, als eine meiner drei Hoffnungen bezeichnet habe: "Ich hoffe auch, daß die Philosophie nie zu einem Teil der alles zu Zwecken des Menschen vereinnahmenden Wissenschaft wird, als eine weiter Vereinnahmung, sondern ihr Widerpart bleibt: eine Mahnung, den Gegenständen der Erkenntnis sich selbstlos in Respekt und Liebe zu nähern - aus Liebe zur Weisheit eben und nicht aus Liebe am Nutzen der Dinge."

Die Liebe zur Weisheit ist es, die den Menschen intellektuell aus dem Tierreich heraushebt
und die seine Würde ausmacht.
Lassen wir uns beides - Weisheit und Würde - niemals nehmen


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